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„Alles auf die militärische Karte setzen“ - Botschafter der Ukraine Dr. Andrij Melnyk im Interview mit RND
Veröffentlicht am 17 August 2022 Jahr 19:24

„Alles auf die militärische Karte setzen“

Putin habe keine Deadline für ein Kriegsende, sagt der ukrainische Botschafter Dr. Andrij Melnyk


Redaktion: Herr Melnyk, nach über sieben Jahren im diplomatischen Dienst für Ihr Land in Berlin, wurden Sie zurück nach Kyjiw beordert. Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Botschafter Dr. Melnyk: Ja, dieser Abschied fällt mir und meiner Familie tatsächlich sehr schwer, weil wir uns in Deutschland sehr wohl gefühlt, weil wir dieses Land geliebt, aber vor allem weil wir viele neue Freunde für die Ukraine gewonnen haben. Es war eine bewusste Entscheidung, nach Berlin zugehen, weil ich immer das Gefühl hatte, hier aufgrund meiner Erfahrungen viel für meine Heimat bewirken zu können. Und ich muss sagen, die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe während meiner Amtszeit hier einige sehr attraktive Angebote aus Kyjiw abgelehnt, nur weil der Job mir so wichtig und die Aufgabe sehr spannend war.

Redaktion: Wann endet Ihre Mission und was werden Sie in Kyjiw machen?

Botschafter Dr. Melnyk: Nach jetzigem Stand werde ich noch bis Ende September hier im Amt bleiben und dann ab Oktober nach Kyjiw wechseln. Es gibt den Vorschlag meines Außenministers Dmytro Kuleba, den Präsident Wolodymyr Selenskyj voll und ganz unterstützt, dass ich als sein Stellvertreter ins ukrainische Außenministerium wechseln soll. Für dieses Vertrauen bin ich ihnen sehr dankbar.Aber die Entscheidung trifft laut Verfassung unsere Regierung. Hier möchte ich daher nicht vorgreifen.

Redaktion: Sie haben immer wieder kritisiert, dass Deutschland nicht die richtigen Waffen liefert und nicht schnell genug.

Botschafter Dr. Melnyk: Das stimmte ja auch und stimmt zum Teil bis heute noch. Es läuft jetzt zwar etwas besser. Zum Beispiel haben wir zehn Panzerhaubitzen 2000 und drei Mehrfachraketenwerfer MARSII bekommen, dafür sowie für Geparde und andere Waffensysteme sind wir dankbar. Nur: nach unserem Eindruck liefert Deutschland nach wie vor nicht alles, was notwendig und möglich wäre, ohne die Bundeswehr zu schwächen. Wenn es zum Beispiel um Kampfpanzer des Typs Leopard geht, die wir direkt von der deutschen Industrie beziehen könnten, dann kommt von der Bundesregierung immer noch die gleiche Ausrede: ,Wir wollen nicht die Ersten sein.’ Warum? Man will offenbar mit Rücksicht auf Russland nicht direkt Kampfpanzer anuns liefern, obwohlderLeopard1 schon über 40 Jahre alt ist, sondern sucht Umwege über Ringtausch-Modelle, die dann komplett scheitern oder zumindest für Verstimmung bei Beteiligten sorgen.

Redaktion: Sie haben schon Ende Mai in einem RND-Interview gesagt, es habe den Anschein, als spiele Deutschland bei Waffenlieferungen auf Zeit. Haben Sie diesen Eindruck immer noch?

Botschafter Dr. Melnyk: Ja, man kann es nicht anders sagen. Wir erleben ein Art Blockade, die ich nicht verstehen kann. Am Anfang gab es das Argument, die Ukrainer könnten die deutsche Technik nicht bedienen. Aber innerhalb von drei Wochen haben unsere tüchtigen Jungs gelernt, die Panzerhaubitze 2000 zu beherrschen. Die deutschen Ausbilder waren erstaunt, dass die Ukrainer so gut sind und auch Englisch sprechen. Ich denke, das Ganze ist eine rein politische Entscheidung. Wahrscheinlich steckt dahinter der versteckte Wunsch, es sich mit Moskau nicht ganz zu verscherzen. Man will wohl Freiräume für die Nachkriegszeit behalten, um vielleicht auch wieder als Vermittler auftreten zu können. Darüber kann man nur spekulieren.

Redaktion: Was müsste geschehen, damit es zu Verhandlungen mit Russland kommt?

Botschafter Dr. Melnyk: Verhandlungen sind die einzige Möglichkeit, diesen Krieg zu beenden. Ich bin überzeugt, dass es dazu kommt. Aber dieser Moment ist deswegen noch nicht gekommen, weil Putin immer noch nicht gezwungen wurde, ehrlich und ernsthaft zu verhandeln. Die militärische Überlegenheit der Russen bleibt riesig, trotz der enormen Verluste. Putin glaubt, genug Zeit zu haben, für ihn gibt es keine Deadline für diesen Krieg. Das Einzige, was ihn bedrückt, sind die Sanktionen und die wirken leider nur mittelfristig. Deswegen ist es für die Ukraine überlebenswichtig, dass Deutschland und andere westliche Partner wirklich alles auf die militärische Karte setzen, um einen nachhaltigen Frieden erst zu ermöglichen. Nur wenn wir gemeinsam Putin auf dem Schlachtfeld in die Schranken weisen, wird er einlenken und diesen Vernichtungskrieg stoppen.

Interview: Jan Emendörfer

Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland

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