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"Zwischen Putin und dem Virus",- Chef des Präsidialamtes der Ukraine Andrij Jermak im Gespräch mit "Funke Mediengruppe"
Veröffentlicht am 04 Juni 2020 Jahr 16:48

 

Berliner Zeitung «Berliner Morgenpost» 

4. Juni 2020


"Zwischen Putin und dem Virus"


vorbereitet von Michael Backfisch


Berlin. Bis vor Kurzem gab es im Krieg in der Ostukraine kleine Oasen des Friedens. Sie befanden sich an der mehr als 400 Kilometer langen Kontaktlinie, wo sich ukrainische Soldaten und prorussische Rebellen mit schweren Waffen gegenüberstanden.

An fünf Übergängen konnten die Menschen von ukrainischem Territorium in die von den Separatisten besetzten Gebiete passieren und umgekehrt. Doch die Corona-Krise hat dieser neuen Normalität einen Riegel vorgeschoben.

„Auf dem Höhepunkt der Pandemie hat die Ukraine wie viele andere Länder ihre Grenzen dichtgemacht“, sagte Andrij Jermak, Chef des Präsidialbüros der Ukraine und Verhandlungsführer für den Ukraine-Konflikt, unserer Redaktion. Aber in Kiew wächst auch das Misstrauen gegen die von den Rebellen ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Luhansk.

„Heute hat niemand verlässliche Informationen dazu, wie viele Menschen in den besetzten Gebieten mit dem Coronavirus infiziert sind“, kritisiert Jermak. „Deshalb haben wir die Grenze an den Übergangspunkten geschlossen, um unsere Bürger zu schützen.“

In der Ukraine wurden laut Zählung der Johns-Hopkins-Universität bis Mittwoch 25.385 Corona-Infektionen und 742 Todesfälle registriert. Die Lage in den Rebellengebieten sei „ziemlich dramatisch“, erklärt die rechte Hand von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Es fehle an medizinischer Infrastruktur, Test-Kits, Masken und Schutzkleidung.

Teile des Donbass stehen seit 2014 unter der Kontrolle prorussischer Rebellen. Bei Gefechten mit Regierungstruppen wurden seither UN-Schätzungen zufolge rund 13.200 Menschen getötet. Die Volksrepubliken werden von Moskau mit Geld und Waffen unterstützt.

Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland versuchen seit sechs Jahren, den Konflikt zumindest zu entschärfen. Doch ein umfassender Waffenstillstand lässt ebenso auf sich warten wie die weitere Entflechtung von Truppen und Waffen entlang der Kontaktlinie.

Skeptiker in der Bundesregierung machen geltend, dass Russlands Präsident Wladimir Putin kein wirkliches Interesse an einer Lösung habe. Er wolle den Konflikt am Kochen halten, um eine Stabilisierung der Ukraine samt EU-Beitritt zu verhindern.

Präsidialamtschef Jermak ist optimistischer: „An manchen Stellen ist es ein schwieriger Dialog – aber der Dialog mit Russland läuft.“ In Koordination mit seinem russischen Verhandlungspartner Dmitri Kosak seien immerhin drei Gefangenenaustausche gelungen.

Kiew wolle nun als nächsten Schritt eine Liste mit Repräsentanten aus den Rebellengebieten zusammenstellen, die an den Gesprächen in der trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine, Russland, OSZE) teilnehmen sollen. Diese sollten aus der Zivilgesellschaft kommen und nicht von den Volksrepubliken benannt werden, fordert Jermak.

Die Aussichten auf Bewegung schätzt er trotz allem als günstig ein: „Ich bin mir sicher, dass noch in diesem Jahr ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland in Berlin stattfinden wird.“

Quelle: Chef des Präsidialamtes der Ukraine setzt auf Gipfel in Berlin

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